Herr Adler, wenn Sie in ein Krankenhaus gerufen werden, um bei einem Digitalisierungsprojekt zu helfen, welche Schritte unternehmen Sie zuerst, um den Prozess in Gang zu setzen?
Matthias Adler: Zunächst ist es wichtig, dass wir einen umfassenden Überblick über die bestehende Softwarelandschaft erhalten, einschließlich der verschiedenen im Einsatz befindlichen Programme. Dabei gilt es zudem, die Hardware- und Netzwerkinfrastruktur des Unternehmens zu prüfen, da diese essenziell für die nachhaltige Datensicherheit und die Skalierbarkeit der IT-Strategie sind. Ein entscheidender Schritt besteht zudem darin, Gespräche mit der Geschäftsführung und Klinikleitung zu führen, um den aktuellen Stand der Digitalisierung aus verschiedenen Perspektiven zu erfassen: sowohl aus Sicht der Pflege und des ärztlichen Dienstes als auch der Verwaltung. Wir sprechen auch mit der IT-Leitung, um zu verstehen, was bereits gut läuft, was optimiert werden kann und welche Hindernisse im Weg stehen. Eine gründliche Bestandsaufnahme ist entscheidend, bevor konkrete Prozesse angestoßen werden können. Mit der Geschäftsführung als Auftraggeber*in klären wir die Schwerpunkte der Digitalisierungsstrategie – ob sie sich auf medizinische Prozesse, administrative Bereiche oder beides konzentrieren soll. Zudem ist es wichtig, spezifische Herausforderungen oder Bedürfnisse zu identifizieren. Dabei schauen wir auch auf notwendige und empfehlenswerte Änderungen bei der Infrastruktur und beantworten regulatorische Fragen für das Management aus Compliance-Sicht.
Welche spezifischen Anforderungen im Bereich der Digitalisierung haben Krankenhäuser und wie würden Sie Kliniken dabei unterstützen, die passenden Tools auszuwählen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden?
Matthias Adler: Im Kontext der Digitalisierung stehen Krankenhäuser vor einigen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz sensibler personenbezogener Daten. Die Verarbeitung von Krankheitsdaten erfordert besondere Datenschutzmaßnahmen, da diese einen direkten Einfluss auf die Persönlichkeitsrechte der Patient*innen haben.
Ein weiterer Aspekt ist die heterogene, siloartige Datenstruktur, die sich aus den verschiedenen Abrechnungssystemen im ambulanten, stationären und Rehabilitationsbereich ergibt. Diese unterschiedlichen Datensatzformate und fehlende Interoperabilität stellen eine Herausforderung dar und erfordern die Nutzung von Patientenportalen, -steuerungssystemen und -entscheidungssystemen, die auch im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) gefördert werden.
Um geeignete Technologien auszuwählen, sollte themenbezogen ein detailliertes Pflichtenheft erstellt werden, in dem die Anforderungen und Prioritäten der Nutzer*innen festgelegt werden. Basierend darauf erfolgt eine Ausschreibung gemäß den Vorgaben des KHZG. Selbst wenn Investitionen nicht durch das KHZG abgedeckt werden, müssen sie i. d. R. wegen Pauschalfördermitteln, Investpauschalen sowie der Trägerschaft der Kliniken ausgeschrieben werden, wobei wir darauf achten, dass das Pflichtenheft nicht zu umfangreich wird, um eine Bewertung und Kontrolle zu ermöglichen.
Wie können Sie die verschiedenen Akteur*innen im Krankenhaus und ihre Bedürfnisse und Erwartungen effektiv in eine IT-Strategie integrieren?
Matthias Adler: Die Integration der Bedürfnisse und Erwartungen aller Beteiligten im Krankenhaus beginnt – wie gesagt – mit Gesprächen mit der Klinikleitung. Für größere Projekte, bei denen eine Akzeptanz im Krankenhaus erreicht werden soll, ist es wichtig, dass wir nicht nur mit den leitenden Personen sprechen, sondern auch die Mitarbeiter*innen auf den Stationen, in der Ambulanz, im OP und in der Notaufnahme einbeziehen, da sie letztendlich die Umsetzung vornehmen müssen. Es gilt jedoch zu beachten, dass unterschiedliche Berufsgruppen unterschiedliche Erwartungen haben. Zudem kann es Widerstände gegenüber der Digitalisierung geben. Wir haben in unserem Expertennetzwerk Pflegekräfte, Ärzt*innen, aber auch IT-Expert*innen, die als langjährige Praktiker*innen „die Sprache der Mitarbeiter*innen“ sprechen. Dies fördert die Akzeptanz und ist wichtig für die erfolgreiche und effiziente Implementierung.
Im Hinblick auf die Patient*innen müssen insbesondere gesetzlich normierte Themen wie die elektronische Patientenakte, die elektronische Gesundheitskarte und das Notfalldatenmanagement berücksichtigt werden. Es geht darum, dass Kliniken den Prozess der Datenverarbeitung und die Einverständniserklärung mit den Patient*innen klar kommunizieren, insbesondere für ältere Personen, die weniger vertraut mit digitalen Themen sind. Letztlich ist es für die Patient*innen vor allem wichtig, dass ihre Daten sicher verwaltet werden und zu ihrem Wohl eingesetzt werden. Dies müssen Krankenhäuser im Rahmen eines umfassenden Risikomanagements und IT-Sicherheitskonzepts berücksichtigen.
Wie gehen Sie im Rahmen Ihrer Beratungstätigkeit mit der steigenden Bedrohung durch Cyberangriffe auf Krankenhäuser um?
Matthias Adler: Im Bereich Cybersecurity unterstützen wir unter anderem bei der Entwicklung und Überprüfung von IT-Sicherheitsstrategien sowie der Auswahl geeigneter Software und Abwehrmaßnahmen. Unsere Expert*innen – von Betriebswirt*innen bis hin zu IT-Spezialist*innen wie Informatiker*innen und Datenbankspezialist*innen – entwickeln Strategien, prüfen Sicherheitsstrategien, überarbeiten und identifizieren Risiken und sprechen Empfehlungen aus. Wir unterstützen zudem bei der Umsetzung von Projekten im Bereich Cybersecurity, sei es durch Projektmoderation, Projektleitung oder die Begleitung des Veränderungsmanagements und der digitalen Transformation im Unternehmen.
Patientenportale sind ein spannendes digitales Tool für Kliniken. Welche Vorteile bieten sie für Krankenhäuser, Mitarbeiter*innen und Patient*innen?
Matthias Adler: Patientenportale spielen eine wichtige Rolle dabei, die Barrieren zwischen ambulanten und stationären Bereichen zu überwinden und Datenredundanzen zu vermeiden. Mit ihnen lassen sich auch Patient*innen aus dem ambulanten Setting in den stationären Bereich steuern. Damit erhalten Kliniken die Möglichkeit, Fälle digital zu verwalten. Die Hürden für Patient*innen werden reduziert, da Terminvereinbarungen digital getroffen werden können, eine elektronische Kommunikation ermöglicht wird und eine Vielzahl von persönliche Informationen bei elektiven Behandlungen bereits von zuhause digital hochgeladen werden kann.
Über Patientenportale können Patient*innen ihre persönlichen Gesundheitsdaten verwalten, was den (digitalen) Aufnahmeprozess im Krankenhaus beschleunigt und die Qualität der Behandlung verbessert. Es können Zeit und Kosten gespart werden, da beispielsweise bereits durchgeführte Untersuchungen nicht wiederholt werden müssen. Insgesamt tragen Patientenportale dazu bei, den Gesundheitsprozess effizienter zu gestalten und die Patientenversorgung zu optimieren.
Ein substanzielles digitales Datenmanagement erleichtert zudem die Übertragung von Patientendaten zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen – auch bei Notfällen. Ein Beispiel dafür ist die Erfassung von medizinischen Informationen wie Allergien oder Implantaten auf der elektronischen Gesundheitskarte, die dann bei der Krankenhausaufnahme automatisch übertragen werden.
Welche Empfehlungen haben Sie für Klinikleitungen, die besorgt sind, dass sie nach der Einführung eines Digitalisierungsvorhabens möglicherweise mit zusätzlichen Folgekosten konfrontiert werden könnten?
Matthias Adler: Grundsätzlich entstehen bei der Digitalisierung verschiedene Arten von Kosten. Zum einen fallen Kosten für die Einführung neuer Software, Module oder Schnittstellen sowie für die Anschaffung spezieller Hardware an. Diese Kosten können sich sowohl in Form von Personalaufwand für Hosting und Support als auch in Abschreibungen oder in Form von Wartung und Fremdbetreuung niederschlagen.
In Bezug auf die Abschreibungen werden diese Kosten regelhaft durch das Krankenhauszukunftsgesetz abgedeckt. Die Abschreibungen werden durch Fördermittel neutralisiert, sodass sie nicht ergebniswirksam werden.
Zur Entstehung zusätzlicher Personalkosten, die für die Betreuung digitaler Prozesse entstehen, sollte bedacht werden: Wenn die Digitalisierung nicht vorangetrieben wird, können Strafzahlungen durch die Digitalisierungsabschlagsverordnung drohen, falls gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt werden. Diese Strafzahlungen können letztendlich teurer sein als die Investition in die Digitalisierung. Zudem können die Personalkosten in der Regel auf die durch die Krankenhäuser ohnehin zu leistenden Eigenanteile im Rahmen der Umsetzung der KHZG-Fördermitteln angerechnet werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Effizienzsteigerung. Obwohl zunächst zusätzliche Personalkosten entstehen können, müssen Kliniken auch die möglichen Einsparungen und Effizienzgewinne durch automatisierte Prozesse und verbesserte Arbeitsabläufe berücksichtigen. Langfristig könnten die Kosten für die Aufrechterhaltung analoger Prozesse höher sein als die Investition in digitale Lösungen – auch durch Aufrechterhaltung von tradierten Strukturen
Insgesamt ist es wichtig, dass Krankenhäuser eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse durchführen und die langfristigen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Betriebsabläufe sorgfältig evaluieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Vielen Dank für das Gespräch, Matthias Adler!